Friedrich von Matthisson - Die Kinderjahre Text

Songtext zu Die Kinderjahre


Die Pappelweide zittert
Vom Abendschein durchblinkt,
Wo, von Schasmin umgittert,
Die Laube traulich winkt,
Und mit geflochtnem Pförtchen,
Das auf den Weiher sieht,
Ein ländlichstilles Gärtchen
Die Halmenhütt' umblüht.

Vom Opfer des Atriden
Im goldnen Opernsaal
Eilt' ich zu deinem Frieden,
Umbüschtes Rhonethal!

Nach Einsamkeit nur schmachtend
Wähl' ich die Gartenthür,
Der Landschaft Reiz betrachtend,
Zur Opernloge mir.

Dies Dach mit dunklem Moose,
Dies frische Rebengrün,
Dies Beet wo Malv' und Rose
Und Nachtviole blühn;
Die unbeschorne Hecke,
Der Hopfenranke Wehn,
Der Hof wo Bienenstöcke
Im Fliederschatten stehn;

Der Brunnenröhre Rauschen,
Die Scheur' am Haselzaun,
Wo Täubchen Küsse tauschen
Und treue Schwalben baun:
Dies alles zaubert, milder
Als Abendsonnenblick,

Die rosenfarbnen Bilder
Der Kindheit mir zurück.

Du, deren goldnem Stabe
Die Nebelsäule weicht,
Die aus dem dunklen Grabe
Geschiedner Jahre steigt,
O Phantasie! erhelle
Der ersten Pfade Spur
Und jede Blumenstelle
Der väterlichen Flur.

Ich seh' des Dorfes Weiden,
Des Wiesenbaches Rand,
Wo ich die ersten Freuden,
Den ersten Schmerz empfand;
Den Plaz, wo, unter Maien,
Auf weißbeblümtem Plan,
Beim Jubel der Schallmeien,
Der Mondscheintanz begann;

Den Hag, wo Nachbars Lotte
Zur Veilchenlese kam,
Den Teich, wo meine Flotte
Von Tannenborke schwamm;
Die alten Eichenstümpfe
Am schilfumrauschten Moor,
Die blaue Wassernymphe
Gewiegt am schlanken Rohr;

Die Au', wo ich, am Bache,
Mir Zweigpalläste wob,
Wo der papierne Drache
Sich in die Lüft' erhob;
Des Meierhofes Hügel
Im stillen Fruchtbaumhain,
Der Mühle rasche Flügel
Am saatengrünen Rain;

Die Sträuche, wo die Schlinge
Den Zeisig oft betrog,
Wo nach dem Schmetterlinge
Mein leichter Strohhut flog;
Das Rohrdach dessen Nester
Ich ritterlich verfocht,
Die Bank wo meine Schwester
Cyanenkränze flocht;

Das Beet, wo, frisch wie Hebe,
Im weissen Lenzgewand,
Sie an bemalte Stäbe
Levkoj' und Nelke band;
Die Schule, dumpf und düster,
Umrankt von Wintergrün,
Wo uns der ernste Küster
Ein Weltgebieter schien.

Ich seh' des Kirchhofs Bäume,
Der Gräber hohes Gras,
Wo ich so oft die Reime
Der Leichensteine las;
Das Flittergold im Kranze
An junger Bräute Gruft,
Im bleichen Vollmondsglanze
Ein Spiel der Sommerluft;

Den Steintisch, wo der Krieger,
Ein Held bei Sorr und Prag,
Von Roßbachs grossem Sieger,
Von Kleist und Ziethen sprach;
Die Tenne, wo der Schnitter
Sein braunes Mädchen schwang
Wenn froh des Bergmanns Zitter
Zum Erntereih'n erklang;

Den Brettersiz am Weiher,
Seit grauer Väterzeit
Dem Spiel der rothen Eier
Am Ostertag geweiht;
Die Laube von Hollunder,
Wo, auf der Rasenbank,
Ich einsam in die Wunder
Der Feenwelt versank.

Da glaubt' ich grüne Zwerge
Mit diamantnem Speer
Und vom Magnetenberge
Die schauerliche Mähr;
Die Hütte ward zum Schlosse,
Der Teich zum Silbersee,
Mein Steckenpferd zum Rosse,
Die Nachtigall zur Fee.

Da spottet' ich der Nebel
Von Grillenfang und Gram,
Selbst wenn im Kampf den Säbel
Der stolze Feind mir nahm;
Wenn ich der Schwester Freude,
Den Hänfling, sterbend fand,
Und, ach! das Roth am Kleide
Der Bleisoldaten schwand.

Da war, im Abendscheine,
Ein stilles Veilchenthal
Am Nachtigallenhaine
Mir Ball- und Opernsaal!
Der Seifenblase Schimmer
Entzückte königlich,
Wie nie die Demantflimmer
Der Maskentänze, mich.

Da fühlt' ich von Verlangen,
Sah' ich am Himmelszelt
Die goldnen Lampen prangen,
Mein ahndend Herz geschwellt:
Doch mehr denn Stern' und Sonne
War in des Mondes Rund
Der Jäger meine Wonne
Mit Dornenbusch und Hund.

Da schien der Geisterweihe
Gefürchtetes Revier,
Des Brockens ferne Bläue,
Des Weltalls Grenze mir;
Ich wußte von den Kreisen
Der Erd' und ihrem Gleis
Was ich vom Stein der Weisen
Und von Heraldik weiß.

Da floß mir keine Zähre,
Neapels Götterau'n,
Verklärung, Belvedere
Und Kapitol zu schaun;
Es war die Tufsteinhöle
Zum Kunstsaal mir genug,
Und meine Raphaele
Fand ich im Ritterbuch.

Da wurde, von den Flocken
Des Januars umstürmt,
Mit jubelndem Frohlocken
Der Schneemann aufgethürmt!
Den Kirchenhügel glitten,
Gelenkt vom Eisenstab,
Im zephyrleichten Schlitten
Wir pfeilgeschwind hinab.

Im öden Weltgewühle
Hebt Wehmuth meine Brust,
Denk' ich der Knabenspiele
Und ihrer Götterlust!
Zu schnell verrauschte Jahre
Der Unbefangenheit,
Was, zwischen Wieg' und Bahre,
Gleicht eurer Seligkeit?

O väterliche Fluren!
Welch Tempe, welche Schweiz
Trägt eurer Wonnespuren
Unsäglich holden Reiz?
Hoch auf beschneiten Gipfeln
Und auf erzürntem Meer
Weht sanft aus euren Wipfeln
Erquickung zu mir her!

Wenn mondlos mich die Hülle
Der Mitternacht umwallt
Und durch die Todtenstille
Nur meine Klage schallt:
Lacht mir von euren Gränzen
Ein Stral von Seelenruh',
Wie abendliches Glänzen
Nach Ungewittern, zu.

Durchsegle kühn die Meere
Wie Cook und Magellan;
Erfleug das Ziel der Ehre
Auf nie beflogner Bahn;
Erblick, ein Stolz der Musen,
Dein Bild in Erz und Stein;
Ruh' an Cytherens Busen
In Amors Mirthenhain;

Gieb Königen Geseze;
Sei Herr von Perus Gold;
Gebeut im Reich der Schäze
Die uns Golkonda zollt;
Vereine was auf Thronen
Der Erdball staunend preist
Und beide Lorbeerkronen
Wie Friederich und Kleist:

Umsonst! der Sorgen Heere
Durchschwärmen, ohne Rast,
Den Glanz am Ziel der Ehre,
Den Goldsaal im Pallast!
Bei Todis Zauberkehle
Bleibst du in Gram verhüllt,
Du strebst nach Ruh' der Seele
Und greifst ein Schattenbild!

Entflohn dem Kriegsgetümmel
Trübt Unmuth deinen Blick;
Umglänzt vom Alpenhimmel
Verklagst du dein Geschick;
Du spähst auf fernem Boden
Des Friedens dunkle Spur:
Betrogner, ach! sein Oden
Umweht die Kindheit nur.

Sie sieht im Frühlingshaine
All' ihre Freuden blühn!
Es wallt in Rosenscheine
Ihr Blumenleben hin!
Nie hat der Gott der Zeiten,
Der Unschuld ewig hold,
Das Buch der Möglichkeiten
Vor ihrem Blick entrollt!

Ach! bis zu Charons Kahne
Schweift unsrer Wünsche Noth;
Der Kindheit leichte Plane
Begrenzt das Abendroth!
Wir ahnden Sturm und Klippen
Bei frühlingsheitrer Fahrt:
Sie hängt mit Bienenlippen
Nur an der Gegenwart!

Friedrich von Matthisson - Die Kinderjahre Songtext

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